Kurhaus Semmering
Franz von Krauß (1865 - 1942)
Zum Ende der Monarchie erlebte das beliebte Urlaubsgebiet der Wiener Bevölkerung, die Semmeringregion, förmlich einen architektonischen Wettlauf der einzelnen Hotelunternehmer. In dieser Zeit entstand auch das "Kurhaus Semmering". Am Wolfsbergkogel, an die "Villa Meran" anschließend, entstand 1909 das Sanatorium als ein Gemeinschaftsprojekt der Witwe Franz von Neumanns und des Kurarztes Dr. Franz Hansy. Geplant wurde die Anlage von der Ateliergemeinschaft der Architekten Prof. Franz Freiherr von Krauß und Prof. Josef Tölk.
Franz von Krauß hatte sich vor allem bis dato im Theaterbau profiliert (Wiener Volksoper, 1898, Wiener Bürgertheater, 1905), verschrieb sich jedoch nicht ausschließlich der Formensprache des Historismus. Das Kurhotel Semmering bezeichnet nun die Schwelle seines Stilwandels hin zu einer einfacheren, funktionelleren Ausdrucksweise unter Miteinbeziehung des sogenannten "Heimatstils" und alpiner Gestaltungsmotive. Völlig funktionalistisch wirkt die Rückfront des Gebäudes. Im Inneren schließen Stahlbetonsäulen und Stahlbeton-Deckenbalken an neuartige künstlerische Ausformungen dieser Zeit an. Neben dem Kurhotel Semmering wurde in dieser Region noch das Hotel Panhans als moderner Stahlbetonbau konstruiert. Trotz dieser fortschrittlichen Bauweise erkennt man in der Gestaltung der Fassade jedoch deutlich Zugeständnisse an die heimische und regionale Bautradition, wie zum Beispiel die symmetrische Risalitgestaltung der seitlichen Achsen oder das einheitliche Mansardendach.
Die Ausführung des Mobiliars erfolgte durch die Möbelfirma Anton Pospischil, in Wien IV., Wiedner Hauptstraße 133. Die Firma hatte schon um die Jahrhundertwende mit Josef Hoffmann zusammengearbeitet, in Folge auch nach Entwürfen von Robert Örley u.a. und zählte nach 1903 zu den ausführenden Tischlern der Wiener Werkstätte.
Die Gestaltung und Einrichtung der Innenräume des Sanatoriums spiegelt den modischen Zeitgeist des frühen 20. Jahrhunderts wider. Die einfache und klare architektonische Gliederung durch die deutlich sichtbaren, tragenden Stahlbetonteile korrespondierte ausgezeichnet mit dem schlichten und funktional gestalteten Mobiliar im Stil des konstrukiven Jugendstils.
Die mehrteiligen Kästen beispielsweise zeigen eine sehr lineare und schlichte Gliederung. Jede Glastüre ist in zwei Einheiten unterteilt und durch eine gemeinsame Rahmung zusammengefaßt. Diese rechteckigen Glasfelder finden ihre kompositorische Entsprechung durch Kassettierungen an den Seitenwänden der Möbel. Die Schränke wurden durch ihre additive Bauweise, der Schrank war sowohl zweitteilig, als auch drei-, vier- und fünfteilig erhältlich, unterschiedlichen Anforderungen gerecht, das heißt, man konnte diese Möbel den baulichen Gegebenheiten des Kurhauses Semmering anpassen.
In gleicher funktioneller Formensprache wurden die Schreibtische, Nachtkästchen und andere Möbel, die in den Gästezimmern des Sanatoriums Verwendung fanden, gestaltet. Schlichtheit und klaren, geometrische Gliederung gestalten die undekorierten Möbel, an denen die Metallbeschläge die einzigen Zierelemente darstellen. Die Tendenzen der Wiener Moderne wurden aufgegriffen und für die spezielle Aufgabe eines Sanatoriums adaptiert.
Ausgewählte Literatur:
Das Interieur X, Tafel 63.
Vera Behal: Möbel des Jugendstils. Sammlung des Österreichischen Museums für angewandte Kunst; Wien 1981.